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Mittwoch, 26. Februar 2014

Marketing

Er sitzt im kalten Halblicht seines Laptops und grinst.
Speichern, Ok, das Album wurde erstellt.
Immer wieder was Neues bringen, hatte der Marketing-Experte im Seminar gesagt. Die Leute auf Trab halten, schocken, zum Lachen, Nachdenken, Weinen bringen.
"Unser Jetzt befindet sich in stetigem Wandel, meine Damen und Herren! Was vor fünf Minuten noch interessant war, ist jetzt schon wieder vergessen. Wer "Likes" absahnen will, muss im Jetzt posten, denn nur was jetzt rockt, gefällt mir!"
Er öffnet einen neuen Tab, das Google-Eingabefeld empfängt ihn freundlich wie immer. Erst mal abwarten, denkt er nüchtern, die PR wirken lassen. Dann, im richtigen Augenblick zuschlagen und die Aufmerksamkeit in Interesse umwandeln. Er denkt weiter: Die Menschen sind wie kleine Kinder, wie gelangweilte Haustiere. Man klatscht in die Hände und schon sind sie aufnahmebereit, doch sie verlieren sofort das Interesse, wenn nach dem Klatschen nichts mehr kommt. Das ist der Moment, in dem man nachliefern muss, das Stöckchen schmeißen, eine Grimasse ziehen. Hinterher gibt's noch ein Leckerli, die Belohnung ist wichtig, das sorgt für Bestätigung und Bestätigung ist allen wichtig, denn was wären wir ohne die Anderen, die uns sagen, wer wir sind, wie wir sein sollen, was zu uns passt. In den Augen der Anderen entdecken wir uns selbst.
Du musst der Andere sein, wenn du verkaufen willst!
"Sorge für Dynamik! Bring´ nicht immer den gleichen Kram, das langweilt und vergrault die Leser! Unterhalte, sei bunt wie ein Chamäleon ohne dabei zu blenden und wenn du schon blenden musst, dann blende mit der Wahrheit; der Wahrheit nämlich, die alle hören wollen! Wahrheit ist relativ. Erkenntnis steht immer in Relation zur Nachfrage!"
Er klickt sich durchs Netz, ein wenig hierhin, ein wenig dorthin. Schon wieder ein Politiker, der auf Kinderpornos steht, erfährt er. Politik und Kinderpornos, das passt wie der Topf auf den Deckel, nee andersrum, die Faust aufs Auge, der Phallus tief in den Rachen einer illegalen 15-Euro-Thai-Nutte.
"Und hört dir niemand zu, dann schockiere die Massen. Der Schock, meine Damen und Herren, ist das beste Mittel, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen! Schocke, dann besänftige und die Menschen werden auf ewig in dir den Heiland sehen!"
Er schaut auf die Uhr: Fünf Minuten seit der Freigabe des Fotoalbums. Zurück zu Facebook und die Seite aktualisieren. Da ist sie, wie erwartet: Die kleine rote Zahl oben rechts springt ihm wie eine Glasscherbe ins Auge. Die Zahl steht für Aufmerksamkeit. Die kleinen Kinder haben auf das Klatschen reagiert.
Er klickt auf die Zahl und beginnt genüsslich, die Kommentare zu lesen.

"Alter, das darf doch nicht...", murmelt Carsten Baumgertner, der mit runtergelassenen Hosen am Rechner sitzt. Runtergelassene Hosen, da er sich gerade einen Porno reingezogen hat, in dem zwei muskulöse maximalpigmentierte Afroamerikaner mit ihren gigantischen maximalpigmentierten Kanonenrohren eine gefesselte minimalpigmentierte Nordeuropäerin vergewaltigen durften, mussten, wollten, wie auch immer... (Randnotiz: Für die, die es interessiert, einfach "Men With Black Dicks: The Torture of Ella Sandberg" bei YouPorn eingeben). "Alter, das darf doch nicht...", weil Carsten gerade gesehen hat, was dieser Dan TheHeartless da für ein Bild bei Facebook hochgeladen hat. Dan TheHeartless, Dan TheHeartless... Er erinnert sich noch vage an die Freundschaftseinladung, an uninteressante Posts und Links zu irgend so einem Blog, auf dem nur Scheiße stand.
Er vergrößert das Bild und augenblicklich stockt ihm der Atem.
Carstens Gehirn befindet sich in absolutem Ausnahmezustand. Es weiß nicht, welche Signale es an den Körper weiterleiten soll, deshalb haut es einfach mal alles raus was es zu bieten hat, was - wie sollte es auch anders sein - zu vollkommener Panik führt. Carsten bekommt keine Luft, sein Herz rast, seine Hände fangen unweigerlich zu schwitzen an, er keucht, er schnaubt, die recht ansehnliche Latte, die er vor wenigen Minuten noch schwungvoll gemolken hat, ist zu einem mickrigen Würstchen zusammengeschrumpft. Ganz anders als auf dem Foto, das ihm, für die ganze Welt sichtbar im Datennetzwerk von Facebook gerade entgegenflimmert.
Es dauert eine Weile, bis Carsten wieder einigermaßen klar denken kann. Er sagt so Sachen wie "Wie hat der das gemacht!?" und "Das kann doch einfach nicht wahr sein!?" usw., während er sich die Hosen hochzieht und seine noch vom Sperma glänzende Nudel verstaut.
Dann, seine Hände zittern noch immer, nimmt er sich die Zeit und schaut sich die anderen Bilder an, die der Unbekannte da ins Netz gestellt hat.

21 Kilometer entfernt sitzt Mechthild Röbner am Laptop ihres Mannes und surft durch die grenzenlosen Weiten von Facebook. Anfangs war sie ja noch skeptisch, hatte Angst vor diesem Internet und sah überall Gefahren. Doch durch ihre Tochter Sandra, die ihre Mutter behutsam mit den Möglichkeiten des sozialen Netzwerks vertraut gemacht hatte, hatte sie schließlich ihre Ängste verloren. Heute vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht noch schnell ihre Nachrichten checkt, mit ihren Arbeitskollegen ein lustiges Video teilt und dicke Daumen für gelungene Urlaubsfotos verteilt. Facebook fördert die Kommunikation, sagt sie immer, wenn die Familie zusammen am Esstisch sitzt. Zitat Mutter Röbner: "Fehsbuck hat mich mit Menschen zusammengebracht, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie kenne!" Zitat Ende.
Genau so ein Mensch scheint jetzt dieser Dan TheHeartless zu sein, der ihre Tochter auf einem Bild verlinkt hat, dass sich vor zwei Sekunden auf ihrem Bildschirm geöffnet hat. Ein durchaus verstörendes Bild, jedenfalls für Mutti Röbner. Zu sehen ist ihre Tochter, nackt wie Gott sie schuf über dem Gesicht von Olliver, ihrem Verlobten - der "Strahlemann", wie Mechthild ihren Schwiegersohn immer so gerne nennt. Der Strahlemann strahlt auf dem Foto allerdings auf eine ganz andere Weise. Vielmehr wird er diesmal "be"strahlt und zwar von seiner zukünftigen Braut, der BWL-Studentin Sandra, die ihm mit drohendem Gesichtsausdruck in den Rachen strullert.
"Sandra-Schatz?", ruft Mutti Röbner mit zitternder Stimme, nachdem sie wieder einigermaßen zur Fassung gekommen ist. "Sandra-Maus, komm doch mal bitte..."
Sandra-Maus kommt gehorsam, in der Hand ein Hanuta, ihre Brille reflektiert das blauweiße Licht des Computerbildschirms.
"Was gibt´s", fragt sie mit vollem Mund. "Dann entdeckt sie das ihr wohl bekannte Foto im Großformat auf dem Bildschirm und lässt augenblicklich das angebissene Hanuta fallen.
"Bist du das?", fragt Mutti Röbner, in der Hoffnung, dass es sich um eine Verwechslung handelt. "Das bist doch du und der Strahlemann, oder nicht?"
Eine Antwort auf ihre Frage erhält sie jedoch nicht. Sandra bricht auf der Stelle in Tränen aus und beginnt zu hyperventilieren...

Insgesamt 25 Fotos dieser Art wurden online gestellt. Die Kommentare haben nach 8 Minuten allerdings die vierfache Anzahl erreicht. Da stehen so Sachen wie:
"Das ist alles Fake! Perverse Sau, dafür kommst du in den Knast!"
"Das sieht man doch, ist mit Photo-Shop bearbeitet, oder? Krass, sieht voll echt aus. ^^"
"Geil, endlich mal ein brauchbares Foto, Sandra! Mehr davon!"
"An Alle: Das ist ein Cyber-Mobbing-Versuch von Dan TheHeartless. Ich habe und werde auch niemals Sex mit einem Stoff-Elefanten haben! Ich habe den Verstoß bereits an Facebook weitergeleitet. Das wird ein Nachspiel haben!"
Er ist glücklich, das lief besser als erwartet. Er weiß, dass nun der Augenblick gekommen ist, um nachzuliefern.
"Was vor fünf Minuten noch interessant war, ist jetzt schon wieder vergessen. Wer "Likes" absahnen will, muss im Jetzt posten, denn nur was jetzt rockt, gefällt mir!"
Er löscht das Album mit samt den Kommentaren und bereitet einen Post vor. Dem Post hängt er eine Datei an. Es ist das neugestaltete Werbebanner für seinen Blog.
Speichern, Ok, der Post geht raus.
Er lehnt sich zurück und lächelt zufrieden.
"Die Wahrheit kann schmerzen, aber meist trifft sie nur wenige, manchmal sogar nur einen Einzigen. Was ist ein kleines Opfer, gegen eine Hundertschaft von neuen potentiellen Lesern? Manchmal muss man Opfer bringen, um anderen zum Erfolg zu verhelfen. Wichtigste Regel hierbei: Sei stets der Andere und nie das Opfer!"

DAN THE HEARTLESS - Nichts als die Wahrheit
Er blickt tief in dein Herz - oder in den internen Speicher deines Smartphones!
Er ist der große Bruder, der BIG BROTHER DER HERZEN!
Vergiss deine Rauschmittel, die einzige Droge die du wirklich brauchst ist die Wahrheit!

"Dan TheHeartless Stories haben mein Leben verändert!" - Dieter Bohlen
"Es vergeht kein Tag, an dem ich ihn nicht lese." - Angela Merkel
"Ein Leben ohne Dan TheHeartless? Das wäre kein Leben..." - Kim Jong-un

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BESUCHE DAN THE HEARTLESS AUF

[Diese Kurzgeschichte wurde Ihnen präsentiert von Grillmeister´s POMMI POMMES, der Kartoffel mit Biss! Grillmeister´s POMMI POMMES ist ein Produkt der REVE-Group Deutschland. REVE - Gut leben zu fairen Preisen! Mehr Infos auf www.reve-group.de!]

Donnerstag, 20. Februar 2014

Geld

"Geld.", schlage ich vor.
"Geld...", wiederholt Rebecca.
"Genau.", sage ich.
Rebecca fasst zusammen: "Geld steht für alles und es ist was Handfestes und jeder kann sich was darunter vorstellen, obwohl es für jeden einzelnen etwas Persönliches und doch für alle etwas Einheitliches ist."
Ich nicke und sage: "Ja, das stimmt."
"Hmm...", macht Rebecca.
"Hmm...", mache ich.
Zwei Menschen, ein Dialog und das Ergebnis ist ein Wort.

Vier Tage zuvor. Ich warte auf einen Rückruf. Endlich, das Telefon klingelt, ich gehe ran.
"Herr Darkness?"
"Ja, das bin ich."
"Sehr schön. Marita Sönke hier am Apparat, vom Corona-Magazin. Wir haben Ihre Bewerbung erhalten, ich habe sie soeben gesichtet."
"Vielen Dank."
"Ja, Herr Darkness, Ihre Arbeitsproben gefallen mir doch sehr, muss ich sagen. Sie passen zwar nicht ganz ins Profil unseres Magazins, aber doch... sehr kreativ das alles."
"Vielen Dank."
"Eine Frage hab ich aber doch, wenn Sie mir gestatten, äh, ich meine..."
"Gern, worum geht´s?"
"Diese Geschichte mit der jungen Frau, ich meine... mit dieser Prostituierten aus äh, Russland?"
"Polen. Sie meinen das minderjährige Fickluder aus Polen..."
"Ach ja, genau, Polen, ganz recht. Also, tja, wirklich eine interessante Geschichte muss ich sagen, sehr unterhaltsam und... naja, versaut, Sie verstehen schon, he, he."
"Ja, ich verstehe."
"Tja, ich möchte Ihnen hier nicht zu nahetreten, Herr Darkness, nein ganz bestimmt nicht! Aber das ist doch schon ein sehr heikles Thema, finden Sie nicht? Also wie Sie das beschreiben, diese Sache mit der jungen Frau, ich meine... das ist ganz und gar nicht gentleman-like, wenn Sie verstehen was ich meine, he, he. Ganz und gar nicht gentleman-like..."
"Ich verstehe..."
"Also, da könnte man als Leser - nicht, dass Sie mich falsch verstehen, Herr Darkness! - also, ich meine, da könnte man als Leser eventuell vermuten, dass Sie... also, ach Gottchen, wie sich das anhört, ich entschuldige mich wirklich sehr für diese Behauptung, aber ich muss das nun mal ansprechen, wissen Sie, das ist mein Job. Es ist mein Job, unangenehme Fragen zu stellen, dafür werde ich bezahlt, verstehen Sie? Mit irgendwas muss man ja schließlich seine Brötchen bezahlen, nicht wahr? Also glauben Sie mir, ich mache das wirklich nicht gern, ich hoffe Sie nehmen das jetzt nicht allzu persönlich, ich meine..."
"Ich verstehe schon. Alles ist gut."
"Also gut. Sie wissen sicherlich, worauf ich hinaus möchte, nicht wahr?"
"Ja, ich denke schon."
"Diese Geschichte... und auch ein paar von den anderen - ich hatte es mir notiert, wo sind nur meine Notizen - ... ah, da sind sie ja! "Gib mit den Rest" z.B. oder auch diese hier, "Der alte Mann und das Geld" - im Übrigen, ist das eine Anspielung auf Ernest Hemmingway? - na, ist ja auch ganz gleich, jedenfalls, was ich sagen will ist Folgendes: Wir können das unmöglich so abdrucken, verstehen Sie? Das ist einfach zu... ja, wie soll ich sagen..."
"Versaut?"
"Nicht dass es nicht unterhaltsam wäre, Herr Darkness, verstehen Sie mich nicht falsch, ich meine, unterhaltsam sind sie schon, ihre Geschichtchen, ganz große Unterhaltungskunst, jawohl, ich meine..."
"Hören Sie, ich verstehe, was Sie mir sagen wollen, gute Frau. Das ist doch alles kein Problem, da finden wir sicher eine Lösung."
"Das freut mich, dass Sie so darüber denken, da fällt mir ein Stein vom Herzen, ein ganz, ganz schwerer Brocken, he, he. Ihre Tante hat ja in ganz großen Tönen von Ihnen gesprochen und ich wäre wirklich untröstlich gewesen, wenn ich ihr hätte mitteilen müssen, dass wir ihre Geschichtchen nicht abdrucken werden, weil sie... nun, weil sie..."
"Zu versaut sind."
"Ganz recht, Herr Darkness. Das wäre wirklich zu schade gewesen."
"Ok, also wie verbleiben wir denn jetzt, Frau..."
"Sönke... aber nennen Sie mich ruhig Marita. Wir gehen hier ganz locker und offen miteinander um, das ist unser Trademark sozusagen."
"Alles klar, Marita."
"Ja, schon viel besser, he, he. Also, Herr... oder soll ich Sie lieber beim Vornamen anreden? Wie ist denn..."
"Dan... mein Name ist Dan TheDarkness. Das steht auch so im Blog."
"Ach richtig, richtig, ja stimmt, sie haben ja auch diesen Blog, ganz recht. Nun Herr Dan, ich meine Dan, einfach nur Dan, he, he, ist das die Kurzform von Daniel? Ein schöner Name, nein ganz im Ernst! Gott sei mein Richter. Es geht doch nichts über die alten biblischen Namen, nicht wahr?"
"Ja, kann sein."
"Also gut, Herr... ich meine Daniel, äh, Dan, Herr... Wir würden erst mal nur eine Ihrer, also Deiner Geschichtchen abdrucken, probeweise, nur um zu schauen, wie sie ankommt bei unseren Lesern."
"Ja, ist doch super."
"Haben Sie eine Präferenz?"
"Och, ist..."
"Ich meine Du, sorry!"
"Ja, schon ok. Ja, mir ist´s gleich welche von denen ihr abdrucken wollt, Hauptsache, eine von ihnen kommt ins nächste Heft."
"Fein, ja das ist wirklich großartig! Also mir persönlich gefällt ja die mit dem... mit der polnischen Einwanderin über die wir uns eingangs unterhalten haben... also, mir gefällt die Geschichte ganz gut. Wir müssten da nur ein paar kleine Änderungen vornehmen, dann würde das schon durchgehen. Wir müssen auch mal was wagen, immer auf Nummer Sicher gehen führt ja auch zu nichts, nicht wahr, Herr..."
"Ja, meinetwegen. Was soll ich denn genau ändern?"
"Zu erst mal müssen alle Fäkalausdrücke da hinaus, so was können wir unserer Leserschaft nun wirklich nicht zumuten. Und das Mädchen darf nicht aus Polen kommen, ich sehe sonst schon die verärgerten Leserbriefe vor mir. Wissen Sie was? Lassen Sie... also Du... Mensch, das fällt mir aber auch immer schwer, he, he... Lass doch einfach das Mädchen ganz raus aus der Geschichte, das stiftet doch nur Verwirrung und ist unnötiger Aufwand für das Lektorat."
"Also gut, ich lass das imaginäre Mädchen weg."
"Ja, schon viel besser. Und dieser... wie heißt die Figur noch gleich? Karl? Wo wir gerade bei Kürzungen sind, lassen Sie doch bitte auch den Beinamen von Karl weg, das ist ohnehin etwas geschmacklos wie ich finde und auch nicht relevant für den weiteren Verlauf des Geschichtchens..."
"Karl der Ficker wird zu Karl... notiert. Was noch?"
"Drogen. Die Drogen sollten Sie auch aus dem Spiel lassen, dass verleitet doch nur zu illegalen Aktivitäten. Hinterher steht bei uns noch die Polizei auf der Matte, das wollen wir doch nicht!"
"Keine Drogen. Sonst noch was?"
"Ich glaube, das wäre es vorerst... Ach, da fällt mir ein, könnten Sie vielleicht einen dezenten Hinweis auf die hohe Qualität von Nivea-Creme-Produkten einbauen? Das würde unsere Partner wirklich sehr freuen, wenn wir..."
"Schon klar, Nivea Werbung einbauen... Ich könnte Karl dem Ficker einen Handcreme-Fetisch aufdrücken, was hältst du davon, Marita? So nach dem Motto: "Hey, gestern hab ich wieder Liebe mit einer deutschen, vom Ordnungsamt überprüften Prostituierten gemacht und rate mal, was wir als Gleitmittel benutzt haben?" So auf diese Art."
"Lassen Sie die Prostituierte weg und wir haben einen Deal!"
"Ok. Karl der Ficker... oh pardon, einfach nur Karl, der sich zu Hause mit Nivea-Creme-Lotion für Mischhaut die Lunte schrubbt... notiert."
"Sehen Sie, das meine ich, daran müssen wir dringend arbeiten. So geht das nicht, das können wir unmöglich abdrucken."
"Ja, schon klar, ich lass mir was einfallen. Hauptsache der Scheiß wird gelesen und ich bekomm mein Honorar. Wie viel Knete war das noch gleich?"
"Die erste Geschichte ist ja nur ein Test, daher gibt es dafür leider noch kein Honorar, aber für jede weitere abgedruckte Geschichte überweisen wir Ihnen 100 Euro und senden Ihnen zusätzlich ein kostenloses Belegexemplar zu. Sie sehen, es lohnt sich also für das Corona zu schreiben!"
"Ja, Wahnsinn. Wirklich geil."
"Das ist die richtige Einstellung Herr Dan, he, he."
"Wie auch immer. Ich melde mich, sobald ich die Geschichte umgeschrieben habe. Vielen Dank für den Anruf, Marita."
"Schön, ich bin gespannt auf das Ergebnis. Viel Erfolg!"
"Alles klar. Schönen Tag noch..."
"Tschüss!"
Tut, tut, tut...
"Fotze..."
Ich werfe das Telefon auf die Couch, gehe in die Küche und mach mir ein Bier auf. Dann setze ich mich an meinen Computer und fange an, eine jugendfreie Version von "Das imaginäre Fickluder aus Polen" zu schreiben.

"Wie wär´s mit Liebe?", schlägt Rebecca vor.
"Liebe?", antworte ich. "Nur eine Illusion. Wir alle wissen das, wir leben in einer aufgeklärten Zeit."
"Aber alle sehnen sich doch danach geliebt zu werden und selbst zu lieben. Niemand mag die Einsamkeit. Niemand möchte alleine sterben."
"Liebe ist Nonsens. Blendwerk."
"Gut. Wenn es nicht die Liebe ist, was ist es dann?"
"Hmm... wir brauchen was Handfestes. Einen Begriff, unter dem sich jeder was vorstellen kann."
"Schlag was vor.", sagt Rebecca.
Ich überlege, überlege, überlege. Dann lächle ich.
"Geld.", schlage ich vor.

Ich sitze an der Story und überlege, wie ich die Nivea-Creme unterbringe, ohne sie als Gleitmittel zu verwenden, als das Telefon klingelt. Ich nehme noch einen langen Schluck aus der Flasche, dann gehe ich ran.
"Dan TheDarkness am Apparat."
"Ja, hallo Dan. Hier ist der Chris von der BlitzIllu."
"Hallo Chris von der BlitzIllu."
"Du hast uns dein Zeug geschickt."
"Richtig."
"Normalerweise scheißen wir auf Leute, die ihren Kram als email einreichen, aber deine Tante scheint ziemlich viel Einfluss in der Verlagsbranche zu haben, deshalb melde ich mich jetzt auch bei dir. Denk nicht, dass das was mit deiner Leistung zu tun hat."
"Schon ok, alles ist gut."
"Also, zur Sache. Deine Stories sind ganz nett, nicht überragend aber unterhaltsam und irgendwie auf diese pseudo-intellektuelle Weise tiefgründig, wie es heute ja modern zu sein scheint. Heute muss einem immer ein gewisser Tiefgang vorgegaukelt werden, selbst beim Wichsen wollen die Leute kein banales Alltagsgewäsch; ich sag dir, das wichsende Volk ist mit den Jahren immer anspruchsvoller geworden. Heute reichen ein paar Möpse und hier und da ´ne rasierte Muschi längst nicht mehr aus, um guten Reibach zu machen."
"Kann sein."
"Wie dem auch sei, das meiste von dem Kram, den du bei uns eingereicht hast, ist Schrott, dafür haben wir keinen Platz in unserem Magazin. Aber diese eine Story hat echt Potenzial, damit kann man was reißen..."
"Lass mich raten: Das Fickluder aus Polen?"
"Genau, wir verstehen uns! Die Story geht ohne Schnörkel los, macht Lust auf mehr und das alles. Guter Stil, schön knapp und simpel, hält mich bei der Stange..."
"Danke."
"Das war kein Lob, bild´ dir da mal nix drauf ein. Jedenfalls... was mich wirklich stört an der Story mit dem Fickluder ist, dass es gar kein verschissenes minderjähriges Fickluder gibt. Was soll der Scheiß? Erst wird man geil gemacht auf so ein heißes Eisen und dann gibt´s am Ende nur heiße Luft. Erklär mir das mal bitte."
"Ja, gut, ok. Die Story heißt "Das imaginäre, minderjährige Fickluder aus Polen", weil das minderjährige Fickluder aus Polen - wie der Titel bereits vermuten lässt - imaginär ist."
"Imaginär."
"Ja, imaginär. Es befindet sich nur als Vorstellung in den Köpfen der Protagonisten, nicht aber in der Wirklichkeit. Es ist der Antrieb für alle Aktionen, die innerhalb des Zeitrahmens, in dem die Story spielt, ablaufen, aber im Grunde ist es nicht mehr als eine Illusion. Das ist eine Metapher. Mit der Story möchte ich darauf hinweisen, dass wir alle nur Illusionen hinterher laufen, dass es keinen tatsächlichen Sinn für unsere Handlungen gibt, sondern alles nur imaginäre Wunschvorstellungen sind, die uns am leben halten, uns motivieren, Tag für Tag die Dinge zu tun, von denen wir glauben, dass wir sie tatsächlich tun wollen, die uns aber in Wirklichkeit..."
"Ja, schon gut, spar dir das Geleier. Jetzt mal echt, hast du dir unser Magazin mal genauer angeguckt, bevor du uns die email mit deinem Scheiß geschickt hast? Ich mein´ jetzt nicht die netten Bildchen, sondern den redaktionellen Teil, wenn man das so nennen will, die Stories, die Textkästen."
"Ja, hab mal reingeguckt in die letzte Ausgabe."
"Meinst du, dass auch nur einer unserer Kunden sich während der Lekture unseres Magazins Gedanken über die Sinnhaftig- beziehungsweise -losigkeit seiner verschissenen Existenz machen möchte? Meinst du, jemand, der in unserem Drecksblatt eine Kurzgeschichte mit dem Titel "Das minderjährige Fickluder aus Polen" entdeckt wirklich Interesse an einer Story hat, in der besagtes Fickluder gar nicht auftaucht?"
"Es taucht ja auf. Ein imaginäres Mädchen taucht auf."
"Imaginär, imaginär! Leck mich am Arsch mit deinem Scheiß-imaginär, Junge! Die Leute wollen das Fickluder sehen, nicht irgendeinen pseudo-philosophischen Nonsens lesen! Das ist Schrott, mehr nicht. Schrott."
"Also druckt ihr die Story jetzt oder nicht?"
"Jedenfalls nicht so. Da musst du noch mal ran."
"Ja, kein Ding. Was soll ich ändern? Nur das Ende?"
"Das Ende auf jeden Fall, da muss richtig Action rein, Geficke, verstehste? Lass die beiden Kerle erstmal ordentlich Dampf ablassen und lass den Überfall und den ganzen Scheiß am Ende weg. Die Leute sollen bekommen, was sie erwarten. Und beschreib´ die Kleine in allen Details, ihre blonden Haare, die geilen, kleinen Möpschen, das volle Programm. Und beschreib´ die Stellungen, die die beiden mit ihr durchackern. Mindestens fünf verschiedene sollten dabei sein. Achte auch drauf, dass ordentlich Mösen geleckt und Schwänze gelutscht werden, das kommt immer gut an und mindestens eine Stellung mit analer Penetration - natürlich bei der Alten - das muss auf jeden Fall rein. Schreib dir das alles auf, damit du nichts vergisst, ist alles wichtig, wenn da was von dem fehlt, was ich dir grad gesagt hab, können wir das nicht abdrucken."
"Alles klar, anale Penetration..."
"Und Schwänze lutschen."
"Schwänze... lutschen. So, was war da noch?"
"Fünf Stellungen. Absolutes Minimum. Lass dir was einfallen!"
"Fünf Stellungen..."
"Kriegst du das hin bis Freitag?"
"Freitag? Ja sicher, das geht schon irgendw..."
"Gut, Freitag nachmittag hab ich die Story auf meinem Schreibtisch, ansonsten können wir leider nichts für dich machen."
"Alles klar, kein Ding."
"Und lass die Jungs Gleitcreme von EROS benutzen, mit denen haben wir nämlich ´nen Deal. Schreib dir das auf."
"Gleitcreme von EROS... soll ich auch Nivea-Handcreme einbringen?"
"Nivea? Wir sind ein Hetero-Magazin für Hetero-Kerle. Muss ich noch deutlicher werden?"
"Nee, schon klar."
"Gut. Noch Fragen?"
"Jo, wie sieht´s denn mit der Bezahlung aus, ich meine..."
"50 Tacken für die erste Story. Wenn die Kunden dein Zeug schlucken, dann gibts mehr, aber erstmal 50 als Einstiegshonorar."
"50 ist nicht gerade viel."
"Mehr gibt´s nicht, hör die Handelei auf. Entweder du akzeptierst das Angebot oder du bist raus, so einfach ist das."
"Ja, gut, 50... was soll´s."
"Alles klar, dann mal ran an die Arbeit! Wir hören uns Freitag."
"Gut, gut. Bis Freitag."
Tut, tut, tut...
"Arschloch..."
Ich schmeiße das Telefon auf die Couch, gehe in die Küche und hole mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank. Ich setze mich an den Computer und lösche die jungendfreie Version von "Das imaginäre, minderjährige Fickluder aus Polen".
Was macht man nicht alles, um reich und berühmt zu werden..., denke ich. Nein, quatsch, eigentlich denke ich etwas vollkommen anderes. Ich frage mich, was ich von mir selbst erwarte, von den Menschen da draußen, vom Leben, vom Tod.
Dann denke ich an die Knete, 50 Tacken, und fange an zu schreiben.

"Wofür lohnt sich das Leben?", fragt Rebecca. "Ich meine, wofür das alles, die Schule, die Ausbildung, die Zankerei mit den Alten, mit Freunden, der Liebeskummer, Tod und Krieg überall..."
"Nicht schon wieder der Sinn des Lebens, Rebecca...", erwidere ich genervt. "Das Leben lohnt sich für niemanden, denn am Ende ist Nichts und man bleibt Nichts und... ach, das hatten wir doch alles schon tausend mal..."
"Ja, aber wir haben es noch nie hinbekommen, den Sinn des Lebens in einem einzigen Wort festzuhalten. Es hieß immer "Man kann das nicht verallgemeinern" und "Man muss das aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten" und so weiter... Das sind doch keine Antworten auf so eine einfache Frage!"
"Die Menschen wollen immer alles vereinfachen. Ordnung in das Chaos des Universums bringen. Schubladen erfinden und die Welt in kleine Häppchen aufteilen."
Jetzt ist Rebecca genervt. "Du bist auch ein Mensch! Tu nicht so, als würdest du über den Dingen stehen, denn das tust du nicht!"
"Gut.", antworte ich. "Dann lass uns ein Wort suchen, dass für alle Menschen gilt und den Sinn unserer Existenz kurz und knapp zusammenfasst. Ich fange an und schlage "Ficken" vor."
"War klar.", schnaubt Rebecca angewidert. "Das ist zu einfach. Was ist mit Menschen, die asexuell sind? Oder denen man die Geschlechtsorgane entfernt hat?"
"Okay.", lenke ich ein. "Dann brauchen wir ein anderes, universelles Wort der Sinnhaftigkeit. Schlag du was vor."
Rebecca überlegt.
Ich warte.
Rebecca überlegt weiter, dann lächelt sie.
"Wie wär´s mit Liebe?"
"Liebe?", antworte ich. "Nur eine Illusion. Wir alle wissen das, wir leben in einer aufgeklärten Zeit."
"Aber alle sehnen sich doch danach geliebt zu werden und selbst zu lieben. Niemand mag die Einsamkeit. Niemand möchte alleine sterben."
"Liebe ist Nonsens. Blendwerk."
"Gut. Wenn es nicht die Liebe ist, was ist es dann?"
"Hmm... wir brauchen was Handfestes. Einen Begriff, unter dem sich jeder was vorstellen kann."
"Schlag was vor.", sagt Rebecca.
Ich überlege, überlege, überlege. Dann lächle ich.
 
"Geld.", schlage ich vor.
"Geld...", wiederholt Rebecca.
"Genau.", sage ich. 
Rebecca fasst zusammen: "Geld steht für alles und es ist was Handfestes und jeder kann sich was darunter vorstellen, obwohl es für jeden einzelnen etwas Persönliches und doch für alle etwas Einheitliches ist."
Ich nicke und sage: "Ja, das stimmt."
"Hmm...", macht Rebecca.
"Hmm...", mache ich.
Zwei Menschen, ein Dialog und das Ergebnis ist ein Wort.